Verkehr und Städtebau, ein Rückblick in das Jahr 1954

Haben die deutschen Städte ihre Chance genutzt?

Sonnabend, 18. Dezember 1954, Die Welt, Nr. 294, von Von JOACHIM BESSER

Großartige moderne Aufbaupläne haben Westdeutschlands Städteplaner in den Jahren 1945 bis 1947 den deutschen Städten vorgelegt. Die einmalige Chance, die in der Vernichtung der Stadtkerne lag, ist erkannt worden. Wurde sie genutzt? In welcher Richtung ist der Aufbau bis zur Stunde verlaufen?
Diese Fragen haben mich drei Wochen lang durch Westdeutschland geführt. Ich habe besucht: Hannover, Köln, Frankfurt, Mainz, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Ulm, München, Nürnberg, Hamburg und Kiel. In diesen zwölf Städten habe ich mir sagen lassen, was geplant war, und habe mir angesehen, was daraus seit 1945 geworden ist. Ich habe mit Architekten, Städtebauern, Stadtplanern, Bauräten, Stadträten und auch mit ihren Gegnern gesprochen. Mehr als dreißig Interviews habe ich in diesen drei Wochen gehabt und habe einen Auto-Kofferraum voll Material mitgebracht.
Das Ergebnis dieser vierwöchigen Bemühung ist in zwei Sätzen gesagt. Zwar verdienen die Vitalität und der Fleiß, mit denen sich unser Volk in Westdeutschland aus den Trümmern herausgearbeitet hat, hohe Bewunderung. Doch wenn es uns auch schmerzen möge: Man hat mit verbundenen Augen gebaut, blind für die Aufgaben der Zeit, getrieben von einer befremdenden Sucht, unsere Städte so wiederherzustellen, wie sie einmal waren.
Schuldige? Weder Architekten noch Stadtplaner noch Stadtbauräte.
Das Versagen liegt in einer Tiefe jenseits der Vernunft.

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