Leitbild für die Stadtentwicklung
Ich habe als Neuling in Lippstadt 1979 die Stadt nach der großen Sanierungswelle mit zahlreichen Abbrüchen im Bereich der Brüderstraße und der Woldemei vorgefunden. Nicht nur dort, sondern auch im Bereich der Kahlenstraße boten sich Parkplätze auf Flächen, für die Investoren nicht unbedingt Schlange standen. Während die letzten Häuser an der Woldemei und Geiststraße fielen entschied sich, dass der damalige Wunschkandidat „Karstadt“ wider Erwarten nicht nach Lippstadt kommen würde. Später wurde dann dort die Lippegalerie gebaut, deren Konzept von damals heute nicht mehr zeitgemäß zu sein scheint.
Am Lippertor stand noch die alte Mühle, damals die Wäschefabrik Haita mit ehemaliger Tankstelle und Gaststätte. Das Steinwehr schlief seinen Dornröschenschlaf und der Durchstich der Lippe (die Laufverkürzung mit dem Abschneiden der Schleife am Bootshaus und Marinestützpunkt) wurde vorbereitet.
Das Verkehrskonzept der Stadt orientierte sich am Generalverkehrsplan, der damals noch den Ausbau von Woldemei und Cappelstraße, eine Reihe von Parkhäusern und eine östliche Tangente vom Südertor durch den Grünen Winkel“ zur Lipperoder Straße vorsah. An der Cappelstraße, gegenüber dem ehemaligen Laden Minipreis an der Ecke zur Soeststraße, mussten die Häuser mit Arkaden errichtet werden, da man später die Straße verbreitern wollte.
Die Planung der Stadt orientierte sich damals mit dem Rahmen aus neuen Tangenten weitgehend an dem Leitbild der autogerechten Stadt. Die Planung der Woldemei mit dem Parkhaus war in der Altstadt ein wichtiger Baustein, dem weitere Eingriffe (z.B. der Bau weiterer Parkhäuser) folgen sollten.
Wer sich für den Nachkriegsaufbau interessiert und alte Dokumente zu den damaligen städtebaulichen Leitbildern gelesen hat, der weiß um die damals heftige Diskussion zwischen verkehrsorientierten Planern und Politikern und denjenigen, die sich für die bei aller Zerstörung nicht untergegangenen Wertigkeit des historischen Stadtgrundrisses, der Parzellenstruktur und der „Körnigkeit“ der Nutzung und Bebauung der Altstädte stark gemacht haben.
Sollten Sie Interesse an diesem Thema haben, dann lesen Sie doch hier weiter: Verkehr und Städtebau, ein Rückblick in das Jahr 1954.
Zum Glück: an Lippstadt ist dieser Kelch der Veränderungen weitgehend vorübergegangen, abgesehen von den „Beschleunigungskurven“ Kolpingstraße (inzwischen wieder im rechten Winkel) und Woldemei. So sind die Straßenzüge der Altstadt weitgehend mit ihrer Parzellenstruktur erhalten geblieben, so wie aus alten Karten der Stadtgündung zu erkennen ist.
Diese Karte links zeigt, wie sich die Stadtviertel auf der Grundlage eines geplanten Straßenrasters entwickelt haben und dass die Straßenzüge auch heute noch weitgehend erhalten sind.
Die Hospitalstraße wurde durch die Erweiterung des katholischen Krankenhauses unterbrochen, zwischen Poststraße und Fleischhauerstraße parallel zur dunklen Halle eine neue Verbindung gebaut.
Karte links, Quelle: „Die Festung Lippstadt“ Dr. Gunter Hagemann, Grafik rechts: eigene Arbeit.
1985 erschien das Buch „Lippstadt einst und jetzt“ von Heinrich Scholand mit Beiträgen und zahlreichen historische Fotos aus den Geschäftsberichten der Volksbank Lippstadt. Er schrieb:
Wer aber hat sich schon Gedanken darüber gemacht, wie in den rund 800 Jahren des Bestehens unserer Stadt unsere Straßen und Plätze geplant, gebaut wurden, wie sie sich entwickelt oder auch ihren Namen geändert haben? Klein ist noch das Städtchen, das um 1185 Bernhard II., Edler Herr zur Lippe, gegründet hat. Nach wohldurchdachtem Plan ließ er zwei Längsstraßen und zwei Querstraßen mit der Wallstraße im Süden anlegen, während die Lippe im Norden als Schutz diente, — so müssen wir uns die Stadt tor Lippe, oder wie sie im Anfang hieß, die Neue Stadt, vorstellen. An die Nord-Süd-Straße der alten Pilgerstraße zum Grabe des heiligen Jakobus in Campostella in Spanien legte Bernhard II. den Verwaltungsbezirk, den Marktbezirk. An der jetzigen Rathausstraße wurde das Rathaus gebaut, vor dem der Markt lag, nach Westen die Markt- oder große Marienkirche {ad mariam majorem) mit dem Friedhof, dem Turm der Kirche gegenüber die Bürgerschule (Gymnasium).
Ein Wochenmarkt war in der damaligen Zeit noch unbekannt. Bei der nur einige hundert Meter entfernten Nicolai-Sied lung wird eine Kaufmanns-Siedlung, der „Alter Markt“ an der Ostseite der Nicolaikirche, erwähnt. Diese Siedlung war älter als die „Neue Stadt“. Auf diesen Märkten wurden aber nur von Kaufleuten und Handwerkern Waren angeboten.
Nachdem die Gründungsstadt mit Lange Straße und Cappelstraße mit den Verbindungsstraßen Marktstraße, Rathaus-Straße und der Poststraße als Wallstraße zu eng geworden war, wurde die Stadt nach 1220 erweitert, bis sie die Ausdehnung erreichte, welche sie im ganzen Mittelalter besaß. Das alte Weichbild endete im Süden mit der Spielplatzstraße (die Blumenstraße als Wallstraße), im Norden mit der Lippe, im Osten mit der Woldemei und im Westen mit der Weihenstraße. Damit war auch eine Eingemeindung der Nicolai-Siedlung und des Stiftsbezirkes in die Stadt tor Lippe vollzogen. Erst Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde dieser Ring gesprengt und die Stadt weiter ausgebaut. Von den ersten Gebäuden ist nichts mehr vorhanden. Ein Brand im Jahre 1310 legte fast die ganze Stadt in Trümmer. Die Häuser waren Holz- oder Fachwerkbauten, mit Stroh gedeckt. Steinhäuser waren wegen der hohen Kosten sehr selten. Für den Grund und Boden, die Hofstätte, die in der Regel eine Breite von 13,20 m und eine Tiefe von 35 m hatte, mußte an den Landesherrn jährlich 4 Pfennig Wertzins (Grundsteuer) entrichtet werden. Die Breite der Straßen betrug 40-60 Fuß, während für die Heer- und Königsstraßen eine Breite von 16-18 Fuß für erforderlich gehalten wurde.
Die Fotos zu den einzelnen Straßen, den Projekten, die umgesetzt wurden oder noch umgesetzt werden sollen, werden sukzessive auf den gleichnamigen Seiten festgehalten und sind über das Menü zu erreichen.